Kann ich das lesen, was ich schreibe?
Wer sich oft auf Lesungen herumtreibt, wird festgestellt haben, dass es hin und wieder so ist, dass man denkt: „Warum schickt der Autor nicht jemanden, der lesen kann?“ oder „Ich möchte das selbst lesen und meinen eigenen Leserhythmus finden.“ Nun handelt es sich in diesem Falle nicht um ein geschriebenes Buch, das der Autor – in diesem Fall ich selbst, also er, der da seinen Lesemantel anzieht, um sich etwas von sich selbst zu entfernen – ein schizophrener Vorgang, der aber zu bewältigen ist, das also der Autor den geschriebenen Text für das öffentliche Zuhören aufbereiten will. Es ist ja so, dass der Leser, sei es der schnelle Blog-Gucker oder der Tageszeitung-Toiletten-Leser, sich seine innere Stimme gibt. Sobald aber der Leser laut wird, also andere Mitmenschen mithören sollen oder können, dann kommt ein Entertainment-Faktor hinzu. Es ist live und verhaspeln macht die Würze und sagt demjenigen Mithörer, der seine Augen geschlossen hält, da er nicht mit den Augen hören will, dass es Nuancen gibt, Unvorhersehbares wie beim Fußballspiel. Also schaut er auf, um zu sehen, ob der Leser noch da ist und was er eventuell für einen Schabernack treibt.
Die Texte brauchen Einleitungen und Übergänge wie Theaterszenen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann der Performer, zu dem ja der Leser mutiert, da er sich bewegt und hin und wieder was trinkt, Pausen machen. Pausen sind wichtig und erfordern ein Höchstmaß an Gefühl. Zum anderen gibt es Einspieler musikalischer oder videotechnischer Art. Abreißen darf die Aufmerksamkeit jedoch nicht. Ich entscheide mich für die aufwändigere Variante: Live-Musik. Und hier kommt es darauf an, dass die Live-Musiker nicht wie ein „Salatblatt an Frikadelle“ serviert werden, sondern dass sie eine zusätzliche Energie mitbringen, die sich den Texten auf gleicher Höhe stellen, ohne konzertant zu werden. Das geht mit den Instrumenten Cello und Akkordeon ausgezeichnet, erhöht aber den Aufwand, den wiederum das Publikum goutiert. Zudem ist es Gelegenheit, die eben gehörten Häppchen musikalisch zu verdauen.
Kommen wir zum Wesentlichen, dem Text. Er muss verändert werden, der Stimme, der Situation angepasst werden. So entstehen aus Blogs Geschichten, die man von Lese- in Sprachtext verwandeln kann oder soll. So verändert sich hin und wieder ein kompletter Komplex, wird aus einer Bemerkung eine Kaskade vieler Bemerkungen, aus einem Wort eine Aufzählung. Alles für die Dynamik. Und weil viele immer noch meinen, alles müsste einen Faden haben nach dem Motto: „Was willst Du denn damit sagen?“ fügt man dem Titel einen Untertitel zu, der die eigentliche Grundlage darstellt. Also nennen wir „Kann man von Rosinenbrot Alpträume bekommen?“ im Untertitel „Ermittlungen im Revier“, was zur Folge hat, dass er, also ich, Texte hinzufügt, die sagen, dass hier ermittelt wird im Revier. Er ermittelt also querbeet und es kommt nichts anderes heraus als das, was es vorher war – eine Aneinanderreihung von Beobachtungen, Gedanken und Anekdoten mit einer ordentlichen Prise Übertreibung. Viel Spaß.