Wahn

Wieder diese Zeitumstellung! Wieder ein Traum.

Meine digitale Uhr sprang 20 Jahre nach vorn: 28.3.2030. Ich gehe aus dem Haus und finde mich nicht zu Recht. Meine Straße zieht sich – gesäumt von Birken im Abstand von genau 30 Metern – bis nach Dortmund-Hörde, links und rechts stehen gläserne Kästen, einige mit Firmenschildern wie Ucotronics ltd., BaywatchTV oder UlcusNavicusEvents. Auf dem Dortmunder U weht eine schwarze Piratenflagge. Ich reibe meine Augen und schwebe durch die Gassen. Alle Straßenschilder und Hinweise im Viertel sind auf Türkisch und Deutsch beschriftet. Eine digitale Plakatwand wirbt für ein Konzert mit Johann Sebastian Bach, der live auftritt – von den Toten zurück digitalisiert. „Local Hero“ sagt eine andere Schrift und zeigt ein Baby in einem rosa Tuch. Das Schauspielhaus hat eine neue Fassade. Hier ist ein Männerheim untergebracht, „Interaktives Prekariat-Centre“ heißt es. Ich zünde mir eine Zigarette an. Sofort kommen drei Männer in beigen Anzügen auf mich zu, die Gesundheitsbürgerwehr, will mich verhaften. Ich kann entkommen und lande in einem Hinterhof mit einer kleinen blauen Tür, öffne sie und traue meinen Augen nicht: Ich stehe mitten in einem Streichelhof. Hühner, Katzen, Hunde, Hängebauchschweinchen, Ziegen, Schafe, die frei herumlaufen, an ihnen dran oder hinter ihnen her, Erwachsene und Kinder, die sich etwas Wärme holen wollen, eine Therapeutin gibt Anweisungen, das Streicheln nicht zu übertreiben. Ich schaue einem ziemlich alten Schaf in die Augen.
Es blökt mich an und ich werde wach.

Heute ist erst Samstag. Alles ist so wie es sein muss.

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